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«Planet A» – Der andere Blick auf die Klimadebatte

Kalina Oroschakoff
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Für Besitzer von Gas- und Ölheizungen wird es dunkel. Schwierige Entscheidungen stehen an. Der Krieg gegen die Ukraine treibt die Gaspreise weiter in die Höhe. Die Sorge geht um, dass man nicht nur horrende Rechnungen wird begleichen müssen, sondern dass auch das Gas knapp werden wird, wenn der Krieg weiter eskaliert. Dazu kommt auch noch der Druck der Politik in Berlin.

So soll in Deutschland nicht erst ab 2025, sondern schon ab 2024 jede neu eingebaute Heizung zu 65 Prozent mit erneuerbaren Energien betrieben werden. Das verkündete die Ampelregierung am Donnerstag, als sie ihr jüngstes Entlastungspaket vorstellte, um die Folgen rasant steigender Gas- und Strompreise abzufedern. Eine Wärmepumpe-Offensive soll kommen (bis jetzt noch ohne konkrete Details).

Der Wirtschafts- und Klimaminister Robert Habeck hatte schon letzte Woche die Warnung formuliert: Mit dem «Einbauen von neuen Gasheizungen – damit sollten wir aufhören», um den Verbrauch von russischem Erdgas zu reduzieren. Auch die Gebäudedämmung soll «massiv» nach vorn gebracht werden. Die Grünen-Chefin Ricarda Lang setzte wenige Tage später nach und erklärte, das Entlastungspaket stelle im Grunde den «Abschied hier in Deutschland von der fossilen Gasheizung» dar.

Gebäude sind in Deutschland für 16 Prozent der CO2-Emissionen verantwortlich, und die Regierung tut sich schwer, ihre selbstgesteckten Ziele im Sektor zu erreichen. Sie wurden nicht nur 2021, sondern auch 2020 verfehlt. Das Problem dabei: Von den knapp 22 Millionen Gebäuden in Deutschland sind etwa 12,5 Millionen Wohnimmobilien vor 1977 errichtet worden, also noch vor Inkrafttreten der ersten Wärmeschutzverordnung. Etwa 55 Prozent der Gebäude werden mit Erdgas und Heizöl beheizt.

Jahrelang stand das Thema im Abseits, heute redet Berlin von Sanieren, Renovieren und von Wärmepumpen. Mehr Geld soll es dafür auch noch geben.

Bis zu 6 Millionen Wärmepumpen sollen in Deutschland bis 2030 eingebaut sein, von solchen Zahlen geht Habeck aus. Das sei eine Vervier- bis Versechsfachung der bisherigen Zahlen und Planungen, sagte er im Januar. Heute gibt es ungefähr 1,3 Millionen Wärmepumpen; 154 000 Wärmepumpen wurden laut Angaben der Industrie vergangenes Jahr in Deutschland abgesetzt. Der Krieg gegen die Ukraine wird den Andrang wohl noch beschleunigen. Installationsfirmen erleben schon jetzt eine steigende Nachfrage.

Fest steht: Wärmepumpen sind in alten Gebäuden mit schlechter Dämmung eine Herausforderung – nicht immer ist klar, ob sie genug wärmen können. Auch Kostenfragen stellen sich, denn Wärmepumpen sind in der Anschaffung gewöhnlich teurer als beispielsweise eine Gasheizung. Der Einbau ist anspruchsvoller und dauert länger. Der Strombedarf wird steigen. Alles wichtige Punkte. Die wichtigste Frage, die in den vergangenen Tagen aber wieder aufgekommen ist, lautet:

«Wer baut das alles ein?»

«Planet A» hat sich nach Antworten zu diesem grossen und sich verschärfenden Problem umgeschaut. Was in Gesprächen immer wieder unterstrichen wurde: Damit sich mehr Menschen für klimarelevante Handwerksberufe entscheiden, muss auch die Wertschätzung für diese Berufe in Deutschland steigen. Denn ohne die Fachkräfte gelingt keine Energiewende, ein klimaneutrales Deutschland muss auch mit den Händen gebaut werden.

Thema der Woche:

Gaszähler in Deutschland. Die Regierung will das Ende der Gasheizung beschleunigen.

Gaszähler in Deutschland. Die Regierung will das Ende der Gasheizung beschleunigen.

Imago

Der neue Wärmepumpen-Boom: «Wer baut das alles ein?»

Diese Frage beschäftigt Michael Hilpert, den Präsidenten des Zentralverbands Sanitär Heizung Klima (ZVSHK). Nur einen Tag bevor Regierungsvertreter die Wärmepumpen-Offensive ausriefen, war die Branche vergangenen Mittwoch zur Deutschen Wärmekonferenz in Berlin zusammengekommen – mit einem dringenden Appell an die Politik. Die Einstellungen neuer Mitarbeiter hätten zwar jüngst zugenommen. Der Arbeitsmarkt aber sei leer. Es gebe Stellen, die nicht besetzt würden, sagte Hilpert, der Unternehmer aus Nürnberg, in seiner Rede.

Er ist mit seinem Schlachtruf nicht allein. In verschiedenen Gesprächen wurde mir gesagt, dass man Lösungen finden müsse, um den Handwerksberuf in Zeiten der Klimawende wieder attraktiv zu machen. Es gehe nicht nur darum, Wärmepumpen einzubauen. Bäderneubau, Sanierungen, all das müsse gleichzeitig stattfinden. Und ja, die vielen neuen Anlagen müssten auch über die Jahre gewartet und repariert werden.

Das wissen nicht nur Handwerker, sondern auch Beamte in Berlin: «Ohne Fachkräfte keine Energiewende», befand erst neulich ein Bericht für das deutsche Wirtschafts- und Klimaministerium, der Anfang Februar veröffentlicht wurde. Der Ausblick ist ernüchternd, geht man von den Zahlen der Gewerkschaften und Handwerkerverbände aus.

Leerlauf

Der ZVSHK beispielsweise warnt davor, dass für das Erreichen des Wärmepumpen-Ziels bis 2030 jedes Jahr 60 000 Monteure fehlen könnten. Der Einbau von Wärmepumpen sei wesentlich aufwendiger als jener von anderen Wärmeerzeugern und brauche mehr Zeit, sagte Hilpert in seiner Rede.

In der jüngsten Umfrage des Verbandes aus diesem Winter meldeten die Betriebe der Branche Sanitär, Heizung, Klima insgesamt 68 000 offene Stellen, davon 41 000 mit fehlendem technischem Personal. Dabei gebe es doch so viel Arbeit, sagt etwa der Zentralverband des deutschen Handwerks. Gegenwärtig gebe es im gesamten Handwerk rund 200 000 freie Arbeitsplätze. Und das, obwohl die Beschäftigung in den letzten Jahren bereits stark zugenommen hat. Seit 2014/15 wurde im Handwerk insgesamt ein Beschäftigungszuwachs von rund 3 Prozent verzeichnet, für «die besonders klimarelevanten Gewerke» betrug er sogar rund 6 Prozent.

«Der Handwerksberuf wird geschätzt, aber niemand will im Handwerk arbeiten.»

Wärmepumpen, Ladesäulen für Elektroautos, Batterien, Solarzellen auf dem Dach – dafür braucht es Monteure, Elektriker, Handwerker. Mit dem gewachsenen politischen Interesse an der tatsächlichen Umsetzung der Energiewende werden die Rufe der Lobbyverbände lauter, diesen Berufsgruppen mehr Aufmerksamkeit zu schenken.

Warum ist das so ein grosses Problem?

Zwei Gründe, warum der Mangel an Fachkräften seit Jahren zunimmt, werden in Gesprächen mir gegenüber immer wieder genannt. Da ist einmal die demografische Entwicklung: Die Babyboomer-Generation gehe in den Ruhestand, so Hilpert. Gleichzeitig bleibe der Nachwuchs vermehrt aus. Das Handwerk sei für die Jugend nicht attraktiv.

«Der Handwerksberuf wird geschätzt, aber immer weniger wollen im Handwerk arbeiten», sagt Ralf Kutzner, geschäftsführendes Vorstandsmitglied der IG Metall, der grössten Gewerkschaft Deutschlands. Er sagt warnend: Das Handwerk hat enorme Probleme, Ausbildungsplätze zu besetzen und Leute nach der Ausbildung zu halten; zwei Drittel der jungen Fachkräfte suchten das Weite. Was zu bedenken ist: Kutzner sprach nicht nur vom Heizung-Klima-Sanitär-Handwerk, sondern auch von anderen «sanierungsrelevanten» Handwerken wie dem Elektro- oder dem Tischlerhandwerk.

Aus den Handwerkerverbänden heisst es auch, Jugendliche wollten dieser Tage eher studieren, als Handwerker zu werden. «Wir haben so einen Akademisierungswahn bei uns», sagt Hilpert. Für ihn sei die fehlende Wertschätzung für den Handwerksberuf ein gesellschaftspolitisches Problem.

Die fehlende Attraktivität sei auch der Ausbildung an den Berufsschulen geschuldet, sagt Hilpert. Die werde immer schwieriger. Es fehle an Geld, um die Schulen zu modernisieren, wie auch an qualifizierten Pädagogen, die zudem jetzt auch in grösserer Zahl das Pensionsalter erreichten, sagt Hilpert. Fachkräfte müssten neue Technologien beherrschen und in ihren Lehrplan einbauen. Der Zentralverband der Handwerker fordert von der Politik die Gleichwertigkeit von akademischer und beruflicher Bildung.

Das bekommen auch diejenigen zu spüren, die sich bereits für den Beruf entschieden haben. So sagt Nina Röhermann, die als technische Zeichnerin in einem Betrieb arbeitet und als Betriebsrätin tätig ist, dass es kein Problem sei, als Monteur einen Job zu finden. «Aber Monteure zu finden und zu halten, wird immer spezieller. Das ist bei uns ein grosses Thema.» Man suche über Werbung oder Instagram nach Leuten.

Aber im Vergleich zu langen Arbeitstagen, dem Arbeiten im Freien, wo es kalt und nass sein könne, und körperlicher Arbeit sei ein Bürojob für viele wohl angenehmer, sagt sie.

Wer will schon Handwerker werden? Die Sorge ist gross, dass der Nachwuchs ausbleibt.

Wer will schon Handwerker werden? Die Sorge ist gross, dass der Nachwuchs ausbleibt.

Imago

Auf ins Handwerk

An Lösungen wird gearbeitet. Katja Weinhold, die Pressesprecherin des deutschen Wärmepumpen-Verbands, ist überzeugt, dass vieles vom Markt geregelt werden kann. Das sei schon jetzt zu beobachten. So beschäftigten sich auch andere Gewerke bereits mit Wärmepumpen.

Auch Hilpert sagt, man brauche zwar Unterstützung, um klimarelevante Handwerke zu fördern. So sei man etwa in Gesprächen mit relevanten Ministerien über ein mögliches Kompetenzzentrum. Man wolle aber nicht auf die Politik warten.

Deshalb arbeite man selbst an Angeboten, aber auch mit Wärmepumpen-Herstellern zusammen, um Nachschulungen und Weiterbildungsmöglichkeiten in die Wege zu leiten. Bestehende Anlagemechaniker sollen für den Umgang mit Wärmepumpen und erneuerbaren Energien weiter intensiv geschult werden. Das sei komplex und erfordere immer mehr übergreifende Kompetenzen, vom Einbau von Heizungen bis hin zu elektrotechnischen Fähigkeiten. Auch der Wärmepumpen-Verband hat Schulungsmassnahmen entwickelt. Darüber hinaus werde daran gearbeitet, beispielsweise den Aufwand für das Einbauen von Wärmepumpen zu verringern. Die Branche müsse sich jetzt schnell umstellen, so Hilpert.

Dabei stellt sich auch die Frage, wie und ob man Quereinsteigern den Zugang in die Branche ermöglichen kann. So werde gerade geprüft, ob man Beschäftigte aus Industriebetrieben, die ihre Arbeit aufgrund des Wandels hin zur E-Mobilität verlieren, zu SHK-Anlagemechanikern umschulen könne, sagt Hilpert. Auch Kutzner von der IG Metall glaubt, mit diesem Ansatz könne man relativ schnell Menschen zum Bauhandwerk bringen. Es solle auch leichter möglich sein, Zuwanderer als Fachkräfte einzustellen, fordern die Verbände.

Daneben wird es auch neue Geschäftsmodelle brauchen. Das klassische System kleiner Installationsbetriebe mit zwanzig Mitarbeitern – das könne nicht allein funktionieren, sagt etwa Marek Miara von der Forschungseinrichtung Fraunhofer-Institut für System- und Innovationsforschung (ISI). Er sitzt auch im Vorstand des Europäischen Wärmepumpen-Verbands.

In Grossbritannien etwa arbeitet der Energieanbieter Octopus an solchen Konzepten. Die Firma hat 10 Millionen Pfund in ein Forschungs- und Trainingszentrum für Installateure investiert mit dem Zweck, das Wärmepumpen-Geschäft massentauglich zu machen. Ab April solle es eine neue, kostengünstige Wärmepumpe geben, die auch mit Gasheizungen konkurrieren könne – so das Unternehmen.

Auch in Deutschland gibt es junge Unternehmen, die in den Bereich einsteigen. So beteiligt sich etwa das Startup 1Komma5° an lokalen Installationsbetrieben, um das Wachstum anzukurbeln und dem drohenden Handwerkermangel entgegenzuwirken, wie das «PV-Magazine» vor wenigen Tagen schrieb. Die Firma will bis 2030 1,5 Millionen Gebäude in Europa mit Photovoltaik, Speichern, Ladelösungen und Wärmepumpen ausstatten.

Dennoch: Geduld muss sein. Der Krieg in der Ukraine hat die Nachfrage nach Wärmepumpen noch einmal erhöht. Lange Wartezeiten bei Lieferanten und Fachleuten bahnen sich an. Diese Erfahrung wird nicht nur in Deutschland gemacht, in der Schweiz zeigt sich ein ähnliches Bild. Dort erleben Heizungsinstallateure, dass die Zahl der Hausbesitzer, die von Öl und Gas wegkommen wollen, von einem bereits hohen Niveau aus weiter – und dazu auch noch schnell – steigt, wie meine Kollegin Andrea Martel in diesem Artikel schreibt.

Moderne Heizungen wie eine Wärmepumpe brauchten ordentlich Vorlauf, sagt Weinhold: «Es ist nicht so, dass man das eins zu eins austauschen kann.» Auch Miara gibt zu bedenken, dass die Branche eigentlich nicht darauf vorbereitet sei, so schnell zu wachsen, wie es jetzt erwartet werde. Wärmepumpen müssten deutlich schneller und einfacher zu installieren sein. «Das ist die Hauptaufgabe – so weit sind wir noch nicht», sagt er.

Solarzellen werden auf dem Olympiastadion in Berlin angebracht.

Solarzellen werden auf dem Olympiastadion in Berlin angebracht.

Reuters

Neue Berufsbilder werden nötig

Während man in den kommenden Jahren auf die Weiterbildung setzt und auch aus anderen Gewerken neue Fachkräfte dazukommen könnten, höre ich von vielen Seiten: Längerfristig müssen sich das Berufsbild und die Wahrnehmung ändern. Es braucht veränderte Berufszweige, die den verschiedenen Herausforderungen der Energiewende gerecht werden.

Wärmepumpen, Ladesäulen, Solarzellen auf dem Dach, Batterien in der Garage – da kommen viele Gewerke zusammen. Auch Software müsse eine grössere Rolle in der Ausbildung spielen. All das muss entsprechend gelehrt und gelernt werden. Inspiration gibt es über Deutschlands Grenzen hinaus. In der Schweiz ist der Bund auch besorgt, dass es zu wenige Fachkräfte gibt. Eine neue Berufslehre soll helfen, Solaranlagen-Spezialisten auszubilden: sogenannte Solarteure.

Genau so etwas schwebt auch Weinhold vom Wärmepumpen-Verband vor. Neue Berufsbilder für die Energiewende müssen vermarktet werden. Das wird dann hoffentlich auch dabei helfen, «die Jungen abzuholen».

Agenda: Was noch wichtig ist

Deutschland arbeitet daran, sich von Erdgas, Erdöl und Kohle aus Russland frei zu machen.

Deutschland arbeitet daran, sich von Erdgas, Erdöl und Kohle aus Russland frei zu machen.

Reuters / Vasily Fedosenko

Mehr Strom aus Sonne und Wind zum Jahresbeginn: Erneuerbare Energien hätten im Januar und Februar 54 Prozent des Stromverbrauchs in Deutschland gedeckt, verkündete der Energieindustrieverband BDEW am Montag.

Am Montag trafen sich auch die Energieminister der G-7-Staaten. Nach Aussagen von Robert Habeck wurde russischen Forderungen nach einer Begleichung von Gasrechnungen in Rubel eine Absage erteilt.

Eine Analyse von Bloomberg New Energy Finance, die heute veröffentlicht wurde, stellt fest, dass keine Regierung der G-20 eine konkrete Klimapolitik fahre, die die eigenen, an der COP26-Weltklimakonferenz gemachten Versprechen umsetze.

Zur Erinnerung: Neue Verpflichtungen bis 2030, die im November in Glasgow verkündet wurden, würden die Erderwärmung auf 2,4 Grad bringen.

Zum Abschied:

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