Heiztechniken, Klimaschutz, Technologieoffenheit Wärmewende: So könnten wir in Zukunft heizen

Der Kohleausstieg ist beschlossen. Fossile Energieträger brauchen Ersatz. Aber welchen – und welche Heiztechniken bleiben noch oder werden kommen? Ausschließlich Wärmepumpen, die viel Strom brauchen? Brennstoffzellen und damit der Wasserstoff? Solarthermie oder Biogas? Was ist mit den Netzen – sind die auf die Wärmewende ausgelegt? Und wer kann den Umbau leisten? Antworten liefert die Fraunhofer-Gesellschaft.

Wärmewende Geothermie
Damit die Wärmewende gelingt, raten Wissenschaftler des Fraunhofer-Instituts zu einem stärkeren Einsatz von Erdwärme. Dazu sind Tiefenbohrungen nötig. Handwerksunternehmen sollten in diesem Bereich ihre Mitarbeiter weiterbilden, raten die Forscher. - © RGtimeline - stock.adobe.com

Im Winter wollen wir es warm haben. Aber nicht nur dann und nicht nur jeder einzelne, wenn er in den eigenen vier Wänden sitzt. Auch Gewerbe und Industrie, Schulen, Behörden und jegliche Infrastruktureinrichtungen brauchen Wärme. Der Wärmebedarf in Deutschland liegt bei über 50 Prozent dessen, was insgesamt an Energie gebraucht wird. "Trotzdem ist der Begriff der Wärmewende erst seit kurzem präsent. Denken wir an die Energiewende, geht es noch zu viel  um Strom", sagt Rolf Bracke, der damit auch sagen möchte, dass eine Auseinandersetzung mit der zukünftigen Wärmeversorgung lange vernachlässigt worden ist. Bracke ist Geologe, Uni-Professor und Energieforscher. Er beschäftigt sich am Fraunhofer IEG mit Sitz in Bochum und Cottbus  als Institutsleiter mit Energieinfrastrukturen und Geothermie.

Anfang Februar 2022 ist unter seiner Federführung die Roadmap "Tiefe Geothermie für Deutschland" der Fraunhofer-Gesellschaft erschienen, die Handlungsempfehlungen für Politik, Wirtschaft und Wissenschaft darlegt für den Umgang mit der Wärmewende. Dabei zeigen die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler einerseits, welches Potenzial Techniken haben, die die Erdwärme nutzen und zugleich, vor welchen Herausforderungen Deutschland aktuell steht beim Umbau der gesamten Wärmeinfrastruktur für die Nutzung von erneuerbaren Energien. Das Ziel der Bundesregierung lautet immerhin: Ab 1. Januar 2025 soll jede neu eingebaute Heizung auf Basis von 65 Prozent erneuerbarer Energien betrieben werden.

Wärmewende erfordert Umbau der gesamten Wärmeinfrastruktur

Rolf Bracke hält das Ziel für erreichbar – vorausgesetzt die Rahmenbedingungen stimmen. Und damit meint er vor allem den Netzausbau und die Verwaltungsprozesse, etwa bei den vielen beteiligten Behörden, die Genehmigungen für Ausbau und auch für Bohrungen zur Erdwärmeversorgung mal schneller mal langsamer bearbeiten. "Wir brauchen dafür Fristen, an die sich alle halten müssen – ähnlich wie bei Bauanträgen, wo ein Projektentwickler verlässlich weiß, wann er den Spaten in den Boden stecken darf", sagt er. Außerdem sei es nötig etwas dafür zu tun, dass die Akzeptanz in der Bevölkerung wächst. "Sicher muss sich jeder auf Veränderungen einstellen, wenn das System nun vermehrt in Richtung Nachhaltigkeit optimiert wird", so der Energieforscher. "Doch liegen viele Chancen auf dem Weg, wenn wir bereit sind in die Zukunft zu investieren." Eine davon ist etwa die Unabhängigkeit von teuren Rohstoffimporten.

Hausbesitzern, die die aktuelle Entwicklung als die vielzitierte "Pflicht zur Wärmepumpe" empfinden, rät er zum neutralen Blick auf die betriebswirtschaftlichen Zahlen. "Die Mehrinvestition in eine gut geplante Wärmepumpe amortisiert sich, durch die wegfallenden laufenden Brennstoffausgaben." Zur Wärmewende gehören seiner Meinung nach auch Solarthermie und Biogas, genauso wie die Brennstoffzelle und andere. "Aber viele dieser Anlagen funktionieren eben nur an einzelnen Standorten und haben ihre spezifischen Rahmenbedingungen", sagt Bracke. So bräuchte man für solarthermische Anlagen immer Flächen, die es in großen Städten nicht gibt. Biogas-Anlagen sind nur dort rentabel, wo Biomasse verfügbar ist wie etwa nahe großer Waldgebiete. Und auch beim Thema Wasserstoff muss er bremsen.

Wärmewende braucht keinen Wasserstoff im Heizungskeller

Auch dazu hat die Fraunhofer-Gesellschaft eine Strategie verfasst, die Empfehlungen an Politik und Wirtschaft richtet. So ist Wasserstoff aus Sicht der Energieforscher für die Wärmewende im Heizungskeller wirtschaftlich nicht sinnvoll. "Es ist ein Thema für die Grundstoffindustrie, wenn dort Temperaturen von über 200 Grad Celsius benötigt werden, aber nicht für Haushalte", erklärt Bracke. Diese Industriezweige, die Primärrohstoffe verarbeiten, hätten zwar einen Verbrauch, der ein Drittel des Wärmebedarfs in Deutschland ausmacht. Aber hier seien andere Techniken im Einsatz als in der Versorgung von Gebäuden in Städten und Dörfern. "Die Wirtschaftlichkeit entscheidet und die ist für Wasserstoff bei Heizanlagen außerhalb der Industrie nicht gegeben", sagt der Fraunhofer-Forscher ganz klar. Er ergänzt, dass die landläufigen Erwartungen der Gesellschaft hierbei nicht zu erfüllen seien.

Dann rechnet er ein Beispiel vor, dass sich auf die Nutzung von grünem Wasserstoff bezieht, also Wasserstoff, der rein aus erneuerbarem Strom erzeugt ist. Denn für die Erzeugung von Wasserstoff, den man dann in Brennstoffzellen nutzen kann, braucht man viel Strom. "Wenn ich eine KWh Strom für eine Wärmepumpe nutze, kann ich damit drei bis fünf KWh Umweltwärme aus dem Boden ins Wohnzimmer holen. Wenn ich mit einer KWh Strom Wasserstoff erzeuge, komme ich am Ende wegen der Umwandlungsverluste immer auf unter ein KWh Heizleistung. Da muss man nicht weiter fragen, was wirtschaftlicher ist."

SHK-Handwerk sieht starke Zukunft der Wärmepumpen – allerdings nicht flächendeckend

Im SHK-Handwerk möchte man sich dagegen noch nicht zu stark festlegen, wenn es um die Energieträger geht, die die Wärmewende mittragen. So ist nach Einschätzung des Zentralverbands des SHK-Handwerks (ZVSHK) für die Energie- und Klimawende in Gebäuden eine technologieoffene Transformation des Wärmesektors erforderlich. Welche Chancen der Energieträger Wasserstoff im Wärmemarkt erhält, sei noch nicht abzusehen. Das hängt dem Verband zufolge auch von der Akzeptanz ab und davon, dass die Wasserstoffproduktion dem Bedarf entsprechend hochgefahren wird. Auch der ZVSHK geht davon aus, dass der Einsatz von Wärmepumpen künftig stärker zunehmen wird. Die Tendenz dazu zeigt sich schon anhand der Zahlen aus dem vergangenen Jahr. Nach Angaben des Bundesverbands Wärmepumpe wurden 2021 rund 154.000 Heizungswärmepumpen in Deutschland abgesetzt. Das ist ein Plus von 28 Prozent gegenüber dem Vorjahr.

"Von einem absehbaren flächendeckenden Einsatz sprechen wir dennoch nicht, da Wärmepumpen im Neubau zwar meist problemlos, aber im Gebäudebestand nicht immer ohne weiteres einsetzbar sind", sagt dazu Helmut Bramann, der Hauptgeschäftsführer des ZVSHK. In unsanierten älteren Gebäuden würde man relativ hohe Vorlauftemperaturen benötigen, um die Räume ausreichend zu beheizen. Hier müsse man im ersten Schritt über energetische Sanierungen nachdenken. Bramann gibt zu bedenken, dass der Ersatz von wohnungsweise angebrachten Wärmeerzeugern (z.B. Gas-Etagenheizungen) durch Wärmepumpen aufwändig sei. Auch eine enge, innerstädtische Bebauungssituation könne zudem ein Hemmnis für den Einsatz von Wärmepumpen sein. "Das alles spricht nicht gegen die Wärmepumpe, zumindest aber ist ihr Einsatz im Gebäude nicht automatisch und flächendeckend möglich", gibt er zu bedenken.

Wärmewende: Technologieoffenheit als Hemmschuh?

Rolf Bracke erkennt an, dass der Übergang zu einer Wärmeversorgung ohne fossile Energieträger zwar nicht von heute auf morgen geschehen könne. Dennoch sieht er den Begriff der Technologieoffenheit auch ein wenig als Hemmschuh an. Zu lange hätte Deutschland sich darauf gestützt, die Wärmeversorgung auf das Vorhandensein der eigenen Kohlevorkommen oder billig importierter Energieträger zu sehen. "Dann wurde der Ausstieg aus der Kohleverstromung beschlossen und erst jetzt fängt die Politik an zu begreifen, was alles etwa für die Wärmeversorgung daran hängt", so der Wissenschaftler. Vieles sei noch immer auf die Verbrennung von Rohstoffen ausgerichtet und davon müssen wir nun so schnell wie möglich weg. Andere Länder seien beim Umbau der Wärmenetze schon viel weiter. Er nennt als Beispiele die Schweiz und die skandinavischen Länder, die schon lange darauf setzen würden, Wärme aus Strom zu erzeugen statt aus Kohle, Öl und Gas.

"Wärme wird in Zukunft nicht mehr über Moleküle erzeugt, sondern über Elektronen", sagt der Forscher. Er beschreibt verschiedene Ebenen, die man bei der Wärmeversorgung im Blick haben müsse. Seiner Ansicht nach könne man sie alle über geothermische Anlagen verschiedener Größe versorgen. Technisch gesehen gelte: Umso größer das Netz ist, das mit Erdwärme versorgt werden muss, umso höhere Temperaturen werden benötigt und umso tiefer muss man bohren. In Mitteleuropa könne man 30 bis 35 Grad Temperaturanstieg je 1.000 Meter Tiefe erreichen und über Erdwärmepumpen nutzen. Zusätzlich könnten aber auch mehr Luftwärmepumpen zum Einsatz kommen an den Stellen, an denen keine Bohrungen möglich sind.

Wärmeversorgung auf drei Ebenen: Nah-, Fernwärmenetze und Einzelverbraucher im Blick haben

  1. Die erste Ebene beschreibt die großen Städte, die bislang oftmals über Fernwärmenetze versorgt sind. Die Netze sind gespeist von der billigen Abwärme von großen Kraftwerken. Das sind oftmals von Kohlekraftwerken, die bald nicht mehr in Gang sind. "Aber die Netze kann und sollte man nutzen und sie dann mit Wärme aus der Tiefe von drei bis vier Kilometern speisen", sagt der Wissenschaftler.
  2. Die zweite Ebene bilden die Siedlungen an den Rändern der Städte, Plattenbauten, kleine Ortschaften. Dort ist bisher meist jedes Gebäude mit einer eigenen Heizung im Keller versorgt – größtenteils mit Ölheizungen. An einigen Stellen gibt es bereits sogenannte Quartierslösungen – Nahwärmenetze, die mehr als nur ein Haus versorgen. Darin sieht Bracke ein Potenzial, das nun ausgebaut werden müsse – bestenfalls auch hier mit einer geothermischen Versorgung.
  3. Die dritte Ebene bilden die Einfamilienhäuser und dabei vor allem die Neubauten, bei denen Wärmepumpen schon der neue Standard sind. Erdwärmepumpen inklusive flacher Bohrung bis 100 Meter genauso wie Luftwärmepumpen, die ihre Energie über eine PV-Stromversorgung auf dem Hausdach bekommen.

Fachkräftemangel beeinflusst Tempo der Wärmewende

Insgesamt ist die Wärmeversorgung der Zukunft nach Ansicht des Fraunhofer-Forschers so aufgebaut, dass es viele kleine Heizwerke über die Fläche verteilt gibt. Diese verteilen dann über Netze die Wärme nah und fern. Die ganz großen Kraftwerke fallen weg. Dabei können Handwerksbetriebe helfen diese Infrastruktur auf- und auszubauen. "Vor allem dann, wenn sie sich jetzt spezialisieren und Mehrwert beim Kunden schaffen", sagt Bracke. Seiner Meinung nach muss sich die SHK-Branche neu ausrichten und jetzt viel in Weiterbildungen investieren, um selber die Wärmewende mitzugestalten.

Der Umgang mit elektrischen Anlagen gewinne enorm an Bedeutung. Es würden aber auch in anderen Bereichen mehr Handwerksfirmen benötigt: Im Rohrleitungsbau für Anlagen und Wärmetauscher genauso wie Brunnenbauer, die flache und tiefe Bohrungen übernehmen. Der bereits jetzt schon stark spürbare Fachkräftemangel der SHK-Branche wird allerdings hier auch die Wärmewende beeinflussen und ein noch zu bearbeitendes Thema von Wirtschaft und Politik sein.