Benutzeranmeldung

Nachträgliche Schwarzgeldabrede auf Vertragsteil: Vertrag nichtig

Eine nachträgliche „Ohne-Rechnung-Abrede“ hat die gleichen Konsequenzen wie eine im Zeitpunkt des Vertragsschlusses getroffene „Ohne-Rechnung-Abrede“

Treffen die Parteien nach Vertragsschluss und Leistungserbringung eine "Ohne-Rechnung-Abrede", erfasst die Nichtigkeit nach § 134 BGB wegen eines Verstoßes gegen das Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetz nicht nur den Abänderungsvertrag, sondern das gesamte geänderte Vertragsverhältnis, so dass aus diesem Vertrag keine Gewährleistungsrechte oder Honoraransprüche mehr hergeleitet werden können.

Das OLG Stuttgart hat mit Urteil vom 10. November 2015 (Az: 10 U 14/15; vgl. Anlage) entschieden, dass eine nachträgliche „Ohne-Rechnung-Abrede“, die sich gegebenenfalls auch nur auf einen Teil des Vertrages bezieht, die gleichen Konsequenzen hat wie eine im Zeitpunkt des Vertragsschlusses getroffene „Ohne-Rechnung-Abrede“. Es findet grundsätzlich keine Aufteilung in einen wirksamen Vertragsteil „mit Rechnung“ und in einen nichtigen Vertragsteil „ohne Rechnung“ statt, wenn es sich um einen einheitlichen Vertrag handelt. Vielmehr wirkt sich die „Ohne-Rechnung-Abrede“ auch auf den (zunächst) wirksamen Vertragsteil aus und führt zur Gesamtnichtigkeit.

Sachverhalt:
Der Bauherr beauftragte einen Architekten zumindest mit der Genehmigungsplanung für den Neubau seines Einfamilienhauses. Die Parteien vereinbarten für die Architektenleistungen ein Honorar von 2.500,00 EUR. Nach Stellung des Antrags auf Baugenehmigung erteilte der Architekt dem Bauherrn eine Rechnung über 1.500,00 EUR zuzüglich Umsatzsteuer, die der Bauherr überwies. Die restlichen 1.000,00 EUR zahlte der Bauherr in bar. Kurze Zeit nach Herstellung der Bodenplatte zeigte sich eine Neigung, dennoch wurde der Rohbau zunächst weiter errichtet. Erst nach Fertigstellung des Daches wurde der Bau eingestellt und dieser stabilisiert bzw. angehoben. Der Bauherr machte gegen den Architekten Schadensersatzansprüche wegen eines Planungsmangels geltend. Nachdem das Landgericht Rottweil der Klage stattgegeben hatte, hat sich der beklagte Architekt mit der Berufung gegen seine Verurteilung gewandt und vorgetragen, der Vertrag sei wegen Verstoßes gegen das Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetz (SchwarzArbG) nichtig. Es könne hierbei nicht darauf ankommen, in welchem Vertragsstadium gegen die entsprechenden Normen verstoßen werde. Aus den Gründen: Das Oberlandesgericht Stuttgart hat die Entscheidung des Landgerichts Rottweil aufgehoben und die Klage abgewiesen. Zwar sei die vom Beklagten erbrachte Architektenleistung mangelhaft und dem Kläger stehe gegen den Beklagten dem Grunde nach ein Schadensersatzanspruch wegen der im Zusammenhang mit der Mängelbeseitigung anfallenden Aufwendungen nach § 634 Nr. 4, §§ 636, 280, 281 BGB zu, jedoch sei der Vertrag vorliegend wegen eines Verstoßes gegen § 1 Abs. 2 Nr. 1 SchwarzArbG, § 134 BGB nichtig. Der Beklagte habe Schwarzarbeit geleistet, indem er für einen Teil in Höhe von 1.000,00 EUR des vereinbarten Werklohns von insgesamt 2.500,00 EUR keine Umsatzsteuer verlangen und abführen wollte. Der Kläger habe dies auch erkannt und bewusst gefördert, indem er mit dem Beklagten nachträglich eine aufgeteilte Zahlung vereinbart habe. Nach Anhörung der Parteien war Anlass für diese nachträgliche Abrede, dass das vereinbarte Honorar von 2.500 EUR vom Kläger brutto und vom Beklagten netto verstanden worden war und dieser Meinungsunterschied durch eine Aufteilung der Zahlung in eine solche mit Rechnung und Umsatzsteuer und eine solche ohne Rechnung und Umsatzsteuer ausgeräumt werden sollte. Damit seien die Verstöße gegen die steuerlichen Vorschriften vorsätzlich erfolgt, so das Oberlandesgericht Stuttgart. Dies sei ausreichend, um einen zur Nichtigkeit des Vertrags führenden Verstoß gegen das Verbot des § 1 Abs. 2 Nr. 1 SchwarzArbG anzunehmen. Der Umstand, dass sich die Absicht der Steuerhinterziehung nur auf einen Teil des vereinbarten Architektenhonorars bezog, ändere an der Nichtigkeit des gesamten Architektenvertrages nichts. Nach der zutreffenden Ansicht in Rechtsprechung und Literatur könnte der Vertrag allenfalls dann als teilwirksam angesehen werden, wenn die Parteien dem zuzüglich Umsatzsteuer vereinbarten Teilwerklohn konkrete von dem Beklagten zu erbringende Teilleistungen zugeordnet hätten (vgl. BGH, Urteil vom 10. April 2014 - VII ZR 241/13). Auch der Umstand, dass die Parteien zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses noch keine "Ohne-Rechnung-Abrede" getroffen und damit zunächst einen wirksamen Vertrag abgeschlossen hatten, führe zu keiner anderen Bewertung, so das Oberlandesgericht Stuttgart. Die nachträgliche Abrede, einen Teilbetrag ohne Rechnung zu zahlen, beinhalte einen auf den anfänglichen Vertrag gerichteten (Teil-) Aufhebungskonsens und führe den Vertrag insgesamt in den Anwendungsbereich des § 134 BGB. Die nachträgliche Schwarzgeldabrede gestalte den ursprünglich wirksamen Werkvertrag um mit dem Inhalt, den er durch die "Ohne-Rechnung-Abrede" gefunden hat. Ein Verständnis, das die Nichtigkeit auf die nachträgliche Abrede begrenze, würde der ausdrücklichen Absicht des Gesetzgebers, die Form der Schwarzarbeit in Gestalt von "Ohne-Rechnung-Geschäften" wirkungsvoll zu bekämpfen, zuwiderlaufen, so das Oberlandesgericht Stuttgart. Das Gesetz wolle nicht nur den tatsächlichen Vorgang der Schwarzarbeit eindämmen, sondern im Interesse der wirtschaftlichen Ordnung den zugrunde liegenden Rechtsgeschäften die rechtliche Wirkung nehmen. Wer das im Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetz enthaltene Verbot bewusst missachte, solle nach der Intention des Gesetzgebers schutzlos bleiben und veranlasst werden, das verbotene Geschäft nicht abzuschließen. Diesem Schutzzweck des Gesetzes widerspräche es, wenn die nachträgliche "Ohne-Rechnung-Abrede" isoliert betrachtet würde und die Vertragspartner durch eine nachträgliche Schwarzgeldabrede den Werkvertrag "retten" könnten. Es stelle auch kein treuwidriges Verhalten des Beklagten nach § 242 BGB dar, dass dieser sich zur Abwehr von Mängelansprüchen des Bestellers auf die Nichtigkeit des Bauvertrages berufe, so das Oberlandesgericht Stuttgart. Zwar könne in besonders gelagerten Fällen das Berufen auf die Nichtigkeit des Vertrages treuwidrig sein und es müsse eine Korrektur der Nichtigkeitsfolge erfolgen. Dies könne z. B. der Fall sein, wenn eine Vertragspartei die Nichtigkeitsfolge vorsätzlich oder arglistig herbeiführen wolle, etwa wenn der Unternehmer den Besteller im Rahmen der Schlusszahlung bewusst zu einer (teilweisen) "Ohne-Rechnung-Abrede" überrede, um dadurch eventuellen Gewährleistungsansprüchen zu entgehen. Solche Umstände seien vorliegend jedoch nicht vorgetragen worden.

Anmerkung:
Das Oberlandesgericht Stuttgart hat die Revision zugelassen, da die Frage, wie sich eine von den Parteien nach dem Vertragsschluss getroffene Schwarzgeldabrede auf den gesamten Vertrag auswirkt, höchstrichterlich noch nicht geklärt ist, dies eine grundsätzliche Bedeutung hat und die Fortbildung des Rechts eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert. Es bleibt daher abzuwarten, ob gegen das Urteil Revision eingelegt wird und ob der Bundesgerichtshof die Entscheidung bestätigt.